Fallberichte
Fälle aus der Tierarztpraxis
Pferdepatienten mit Magengeschwüren in der täglichen Praxis
Erfahren Sie aus erster Hand, wie Magengeschwüre bei Pferden in verschiedenen Fällen diagnostiziert und erfolgreich behandelt wurden. Diese Fallberichte von Tierärztinnen und Tierärzten zeigen, wie unterschiedlich die Symptome sein können und welche Therapiemethoden zum Erfolg geführt haben.
Fallbericht 1: Wiederkehrende Koliken bei einem S-Dressurhengst
Pferd: Warmbluthengst, gekört, 17 Jahre alt
Einsatzgebiet: Dressurpferd bis Klasse S
Haltung: Boxenhaltung, Stroheinstreu
Fütterung: Dreimal täglich, Raufutter vor Kraftfutter
Training: Intensive Dressurarbeit, Deckeinsatz im Natursprung
Transport: In Zeiten des Deckeinsatzes kein Transport
Der Dressurhengst wurde mir mit akuter Koliksymptomatik vorgestellt. Der Besitzer teilte mit, der Hengst habe schon seit drei Monaten in regelmäßigen Abständen milde Koliksymptomatik gezeigt. Nach ausführlicher Untersuchung zur Klärung der Kolikursache wurde am folgenden Tag eine Magenspiegelung (Gastroskopie) durchgeführt. Es konnten Magengeschwüre vom Grad 2 diagnostiziert werden. Der Hengst wurde medikamentös über 21 Tage therapiert. Weitere Koliken wurden vom Besitzer nicht mehr beobachtet. Zudem bemerkte der Besitzer, dass sich der Hengst insgesamt unter dem Sattel frischer und lockerer präsentierte und zufriedener wirkte.
Fazit: Wiederkehrende milde Koliken können auf Magengeschwüre hinweisen. In einer Studie wurden 100 Kolikpatienten innerhalb der ersten 24 Stunden der Erkrankung einer Gastroskopie unterzogen. Es zeigte sich, dass 49 % der untersuchten Pferde an Magengeschwüren litten.
Fallbericht 2: Wallach mit wiederkehrender Koliksymptomatik nach Kolik-Operation
Pferd: Wallach, 16 Jahre
Einsatzgebiet: Freizeitpferd
Haltung: Gruppenhaltung mit zwei weiteren Wallachen, rangniedrigstes Tier, häufig Hautwunden nach Rangkämpfen
Fütterung: Gras, Raufutter, Kraftfutter
Training: 5-mal/Woche freizeitmäßig geritten
Transport: Selten
Zu Beginn des Jahres zeigte sich das Pferd in einem schlechten Allgemeinzustand. Der Wallach hatte wiederkehrende Hufprobleme sowie ständig milden Durchfall mit viel Kotwasser. Im März wurde das Pferd schließlich aufgrund einer heftigen Kolik operiert, Teile des Dünndarms mussten dabei entfernt werden. Anschließend an die Operation erholte sich das Pferd nur langsam. Es kam zu Wundheilungsstörungen und wiederkehrender milder Koliksymptomatik. Nach Umstallung des Pferdes in Gruppenhaltung mit einer Stute besserte sich die Symptomatik kaum. Das Pferd magerte weiter ab und fraß mit nur mäßigem Appetit. Es wurde mir in den nächsten Wochen immer wieder mit milder Koliksymptomatik vorgestellt. Nach ausführlicher Untersuchung und Ausschluss anderer Erkrankungen begann ich im Juli mit einer medikamentösen Therapie. Schon nach einigen Tagen konnte man eine Besserung des klinischen Zustandes erkennen. Das Pferd zeigte sich viel aufmerksamer und fraß deutlich besser. Nach drei Wochen Therapie war das Pferd wieder unter dem Sattel und hatte deutlich an Gewicht zugenommen. Seit der Behandlung wurde von den Besitzern keine Koliksymptomatik mehr bemerkt.
Fazit: Magengeschwüre können als Folge von Krankheiten oder Operationen auftreten. Dieser Fall mit wiederkehrender Magen-Darm-Problematik nach Kolik-Operation macht deutlich, dass Magengeschwüre als typisches Bild nach Krankheit bzw. nach schwerwiegenden Eingriffen in Betracht gezogen werden sollten.
Fallbericht 3: Unregelmäßige Leistung und „Rückenproblematik“ bei einem Turnierpferd
Pferd: Warmblutwallach, 8 Jahre
Einsatzgebiet: Turnierpferd Dressur Klasse E/A, Springen Klasse E/A, Vielseitigkeit Klasse A
Haltung: Ganzjähriger Koppelgang in einer Herde von acht Pferden, Zusammensetzung der Herde konstant, ranghöchstes Tier
Fütterung: Zufütterung nach der Arbeit mit Hafer/Pellets
Training: 4 – 5-mal/Woche
Transport: Regelmäßiger Transport ca. jedes 2. Wochenende zum Turnier während der Freiluftsaison
Mir wurde dieser Warmblutwallach vorgestellt, weil er sich seit einiger Zeit im Rücken festhielt, unregelmäßige Leistungen auf dem Turnier zeigte und in der Dressur dezent mit den Zähnen knirschte. Das Pferd erschien mir insgesamt unwillig. Nach umfangreichen Untersuchungen und Ausschluss anderer Erkrankungen wurde eine Magenspiegelung (Gastroskopie) durchgeführt. Der gastroskopische Befund lautete: Magengeschwür des Schweregrades 2.
Es wurde von mir eine medikamentöse Therapie über 28 Tage durchgeführt. Das Training des Pferdes wurde in dieser Zeit fortgesetzt. Der Wallach wirkte schnell deutlich zufriedener. Das Zähneknirschen verschwand unter der Therapie vollständig und auch die Verspannungen im Rücken besserten sich.
Die nachfolgenden Turniere konnten mit Platzierungen beendet werden. Eine Kontrollgastroskopie nach Beendigung der Therapie zeigte die vollständige Ausheilung der Magengeschwüre.
Fazit: Leistungsschwäche kann ein Anzeichen für Magengeschwüre sein. In Studien wurde das Vorkommen von Magengeschwüren beim Spring- bzw. Dressurpferd untersucht. Über 60 Prozent der untersuchten Pferde zeigten hierbei Magengeschwüre. Interessant ist die Tatsache, dass die Mehrzahl der Besitzer dieser Pferde Leistungsschwäche als Hauptsymptom angegeben hatten. Bei den Springpferden war eine Verschlechterung des Sprungablaufs zu erkennen. Dressurpferde zeigten sich schwierig im Training oder verweigerten die Arbeit.
Fallbericht 4: Zuchtstute in schlechter Konstitution nach Deckaufenthalt
Pferd: Vollblutstute, 14 Jahre
Einsatzgebiet: Zuchtstute
Haltung: Weidehaltung, wechselnde Gruppen
Fütterung: Weide, Raufutter, Kraftfutter
Training: Zuchtstute
Transport: Kam aus dem Ausland zurück ins Heimatgestüt
Bei der Stute handelt es sich um eine hochwertige Vollblutzuchtstute, die in den letzten acht Jahren jedes Jahr ein Fohlen zur Welt gebracht hat. Dieses Jahr ist sie zur Bedeckung ins Ausland verbracht worden und zum Ende der Decksaison mit Fohlen bei Fuß wieder im Heimatgestüt eingetroffen. Die Stute zeigte sich deutlich zu mager, struppig im Fell und wenig interessiert an ihrer Umgebung. Sie fraß nur sehr unregelmäßig und mit schlechtem Appetit. Das Fohlen hingegen war sehr gut genährt. Nachdem sich der Zustand der Stute auch nach Optimierung der Fütterung nicht besserte, wurde sie über einige Zeit medikamentös behandelt.
Ein erster Erfolg war schnell ersichtlich. Die Stute zeigte sich deutlich munterer und interessierter bei normalem Appetit. Nach vier Wochen hatte sie sichtbar an Gewicht zugenommen und zeigte wieder Glanz im Fell.
Fazit: Jedes Pferd kann von Magengeschwüren betroffen sein. Dieser Fallbericht zeigt, dass jedes Pferd von Magengeschwüren betroffen sein kann, vom Freizeitpferd über Sport- und Rennpferde bis zu Zuchtstuten. Aus Studien weiß man, dass der Transport wie auch Stallwechsel und veränderte Gruppenzusammenstellung prädisponierende Faktoren zur Ausbildung von Magenulzera beim Pferd sein können. Stress beim Pferd bleibt zwar schwierig zu messen, aber es ist nachvollziehbar, dass sich unter belastenden Bedingungen die Futteraufnahme verringert, was zu einer erhöhten Säurekonzentration im Magen führt. Zudem unterstützt die verringerte Magenwanddurchblutung die Entstehung von Magengeschwüren.
Fallbericht 5: Fohlen einer Stute mit mangelnder Milchleistung
Pferd: Fohlen, 2 Monate alt
Einsatzgebiet: Aufzucht
Haltung: Weide- und Stallhaltung
Fütterung: Muttermilch, Milchpellets
Training: Aufzucht
Transport: Kein Transport
Das Fohlen entstammte einer 20-jährigen Zuchtstute, die schon etliche Fohlen zur Welt gebracht hatte. Dieses Fohlen war sehr groß und sehr mager. Nach 14 Tagen wurden aufgrund der mangelnden Milchleistung der Mutter Milchaustauscher Pellets zugefüttert.
Trotz der Beifuttergabe entwickelte sich das Fohlen nicht zufriedenstellend. Es wirkte weiterhin deutlich zu mager und unzufrieden. Zusätzlich hatte das Fohlen immer wieder Durchfall. Nach eingehender Untersuchung und Ausschluss anderer Ursachen entschied ich mich aufgrund des klinischen Verlaufs für eine medikamentöse Therapie. Schon unter der Therapie fraß das Fohlen deutlich besser und wirkte insgesamt zufriedener. Nach vier Wochen hatte es deutlich an Gewicht zugelegt und setzte normal geformten Kot ab.
Fazit: Schon Fohlen können von Magengeschwüren betroffen sein. Auch bei neugeborenen und wenige Tage alten Fohlen und Jungtieren (< 1 Jahr) werden häufig Geschwüre im Magen, aber auch im Darm festgestellt. Abhängig vom Alter der Fohlen waren bis zu über die Hälfte der in Studien untersuchten Fohlen betroffen.
Fallbericht 6: Leistungsschwäche und Abmagerung bei einem Islandpferd
Pferd: Islandwallach, 8 Jahre
Einsatzgebiet: Freizeitpferd
Haltung: Gruppenhaltung aus acht Islandpferden, konstante Gruppenzusammensetzung, rangmittleres Tier
Fütterung: Weide, Raufutter
Training: 3-mal/Woche freizeitmäßig geritten
Transport: Selten
Der Isländer wurde mir aufgrund einer schon länger bestehenden Leistungsschwäche, Müdigkeit und geringgradiger Abmagerung vorgestellt. Das Pferd war wegen erhöhter Muskel- und Leberwerte behandelt worden, die Werte zeigten eine deutliche Besserung die Symptome aber blieben bestehen. Es konnte ein geringgradiger Muskelschwund festgestellt werden, die übrigen Untersuchungen verliefen klinisch unauffällig.
Eine durchgeführte Gastroskopie ergab Magengeschwüre von einem Schweregrad der Stufe 1,5. Ich empfahl eine medikamentöse Therapie über 28 Tage. Das Pferd wurde während dieser Zeit weiter bewegt. Eine Kontrollgastroskopie ergab eine vollständige Ausheilung der Ulzera.
Der Isländer hatte deutlich an Gewicht zugelegt und zeigte sich voll leistungsbereit.
Fazit: Magengeschwüre treten auch bei Freizeitpferden auf. Wie dieser Fall zeigt, können Magengeschwüre auch beim Freizeitpferd auftreten. Das bestätigt auch eine Studie aus dem Jahre 2005, die den Einfluss von typischen Aktivitäten eines normalen Reitpferdes – Transport, Stallwechsel und leichtes Training – auf die Entstehung von Magengeschwüren nachgewiesen hat.